Mit dem "Kennerblick des grossen Routiniers".
 
Der Praterkellner
Praterkellner. Das ist eben eine besondere Gattung. Sie sind irgendwie dem "Pülcher" von der Burgmusik verwandt. Sie sind urwüchsig, ungeschliffen, naiv. Vollkommene Naturkinder. Sie machen den Eindruck von geborenen Müssiggängern, die gleichsam nur aus Perversität arbeiten. Und sie arbeiten denn auch mit einer Erbitterung, mit einem Tumult, mit einer Losgelassenheit, wie jemand, der sich in einem abnormalen Zustand befindet. Den Frack, den sie tragen, hat nicht die erziehliche Macht, ihre Wildheit zu bändigen oder auch nur zu mildern.
Sie geben sich unbedenklich ihren Instinkten hin, und es gehört zu ihren Instinkten, sich nicht die Hände zu waschen, sich nicht zu schneuzen, den Schweiss ihres Antlitzes auf das Brot tropfen zu lassen, das du dir erwirbst und heute einmal hier verzehren möchtest; die Hand auf die Lehne des Stuhles zu legen, auf dem du sitzest, ihre Ärmel an deinem Gesicht zu reiben, wenn sie deinem Nachbarn etwas reichen. Erst in späten Jahren, wenn sie behäbig, ruhig und Zahlkellner geworden sind, nehmen sie sanftere Manieren an. Dann haben sie den etwas stumpfen Kennerblick grosser Routiniers, den Blick und die Miene von Männern, die nun auch das menschliche Wesen gründlich erforscht zu haben glauben, weil so unendlich viel menschliche Gefrässigkeit, so unendlich viel menschliche Besoffenheit in all den Jahren an ihnen vorüberzog.
Wir empfehlen Ihnen die Lektüre von Dietmar Grieser "Gustl, Liliom und der dritte Mann",
Ein Literarischer Praterspaziergang, der uns als Quelle diente.